donum vitae EINBLICK
April 2024

Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 15. April hat die von der Bundesregierung beauftragte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ihre Empfehlungen der Öffentlichkeit präsentiert. Seitdem erfährt die psychosoziale Beratung von Schwangeren viel Aufmerksamkeit. Verschiedene Anfragen erreichen aktuell auch uns: Wie läuft ein Beratungsgespräch ab? Mit welchen Anliegen, Fragen und Wünschen kommen die Klient*innen in die Beratung? Welche Ausbildung und Qualifizierung haben die Berater*innen? Wie lange begleitet eine Beraterin? Auf welche Hilfs- und Unterstützungsangebote kann die Beraterin verweisen? Wie erleben die Klient*innen die Beratung?

Daher möchten wir Sie in dieser Ausgabe des „donum vitae Einblick“ wieder in eine unserer Beratungsstellen mitnehmen und neben dem Erfahrungsbericht unserer Beraterin auch eine Klientin beschreiben lassen, in welcher Situation sie die donum vitae Beratungsstelle aufgesucht und wie sie die Beratung und Begleitung dort erlebt hat.

Wir freuen uns über Ihr Interesse an unserer Arbeit und wünschen eine gute Lektüre!


Herzliche Grüße aus der Bundesgeschäftsstelle

Annika Koch
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation

„Räume öffnen
und Sicherheit geben“

Elisabeth Baumstark-Biehl ist seit 2003 Beraterin bei donum vitae in Freiburg mit einer Zusatzqualifikation zur Beraterin während vorgeburtlicher Untersuchungen. Hier schildert sie eine Beratung während Pränataldiagnostik. Die Klientin hat sich im Verlauf der Beratung und auch danach schriftlich an Frau Baumstark-Biehl gewandt. Wir lassen nun beide Perspektiven zu Wort kommen.

Anfang des Jahres nahmen Michaela und ihr Mann per E-Mail Kontakt mit unserer Beratungsstelle auf. Michaelas Frauenärztin hatte ihr dazu geraten. Grund war ein unerwarteter medizinischer Befund, den die beiden in der 18. Schwangerschaftswoche bekamen: Bei einer pränatalen Untersuchung war der Verdacht auf „ein komplexes fetales Fehlbildungssyndrom und eine Zwerchfellhernie“ mitgeteilt worden.

Michaela schrieb:
„Nächste Woche findet die Fruchtwasseruntersuchung zur genaueren Bestimmung und Differenzierung statt. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir uns unter keinen Umständen einen Abbruch der Schwangerschaft vorstellen. Ich wünsche mir Beratung im weiteren Verlauf der Schwangerschaft, vor allem bezüglich unterstützender Hilfen und Vorgehen bei so einer Diagnose.“

Michaela und ihr Mann waren für den zeitnahen Beratungstermin sehr dankbar. Die Diagnose schockte sie sehr und sie wussten nicht, wie sie damit umgehen und nun weiter vorgehen sollten: Was ist zu beachten und wo können sie Hilfe finden? Wie kann ein hilfreiches Unterstützernetzwerk aufgebaut werden? Das waren ihre Anliegen an meine Beratung. Im Gespräch gelang es dem Paar, die eigenen Gedanken zu sortieren und für ihre jeweilige emotionale Befindlichkeit Worte zu finden. So gelang es, in Ruhe über die Informationen, die sie von den Ärzten erhalten hatten, zu sprechen und Fragen zu stellen. Sie konnten erfahren, dass da jemand ist, der diese extrem belastende Situation mit ihnen aushält, sie beim inneren Prozess begleitet und auch beim Aufbau eines Unterstützungsnetzwerks behilflich ist.

„Die Diagnose traf uns völlig unvorbereitet. Wir hatten uns so sehr ein Kind gewünscht und nie damit gerechnet, dass es nicht gesund sein könnte. Ich bin selbst in der Beratung tätig und reagiere sehr sensibel auf die Worte einer Beraterin. Ich war sehr erleichtert, als ich merkte, dass hier für mich ein Raum war, in dem ich mich mit meinen widersprüchlichen Gefühlen öffnen konnte, jemand, der mir zuhörte, bei dem ich mich verstanden und angenommen fühlte. Ich fühlte mich auf der medizinischen wie auch auf der emotionalen Ebene begleitet. Doch dies alleine hätte mir auch nicht ausgereicht. Für mich war es wichtig, von der Beraterin Unterstützung für den Ausbau eines Netzwerkes zu erhalten, da wir unser Kind austragen wollten. So konnte ich mich dafür entscheiden, die Begleitung und Beratung bei der Beraterin fortzusetzen. Ich war so froh, eine Ansprechpartnerin gefunden zu haben, zu der ich Vertrauen aufbauen konnte. Bei der Beraterin fühlten wir uns angenommen mit unserem Weg. Sie unterstützte uns darin, mit unserem Kind in Verbindung zu bleiben. So konnten wir unsere kleine aktive Maus immer besser kennenlernen und die Zeit zu dritt intensiv erleben und genießen. Wir fühlten uns als kleine Familie, als werdende Mutter und Vater. Bis zu dem nächsten Beratungstermin konnte ich der Beraterin schreiben, wie es uns und mir gerade geht. Das entlastete.“

Nach der Fruchtwasseruntersuchung folgte der nächste Befund: Bei gleichbleibenden Werten habe das Kind zum Entbindungstermin eine Überlebenschance von 15 bis 20 Prozent. Das Paar stand erneut unter Schock und Michaela suchte sofort den Kontakt zu mir: „Können Sie uns auch im Trauerfall begleiten? Wo sind die Grenzen Ihres Beratungsauftrages? Für mich wäre es tatsächlich sehr wichtig und ich wäre froh, wenn Sie uns auch über die Schwangerschaft hinaus begleiten könnten.“

Die weitere Begleitung konnte ich Michaela und ihrem Mann zusagen. Im Beratungsgespräch thematisierte ich, was in einem möglichen Trauerfall zu beachten sei und was davon bereits jetzt schon für sie zur Vorbereitung von Bedeutung sein könnte.

Nach der Geburt ihrer Tochter schrieb Michaela mir: „Unsere Tochter ist am Donnerstag sehr überraschend zur Welt gekommen. Unsere kleine Kämpferin hat noch durchgehalten, bis ihr Papa in der Klinik angekommen ist, dann ist sie friedlich in seinen Armen eingeschlafen. Können wir uns telefonisch oder per Video austauschen? Noch leben wir von Stunde zu Stunde und können nicht sagen, was wir brauchen. Trotz aller Traurigkeit und Leere, die sie hinterlässt, sind wir dankbar, dass sie auf der Welt gewesen ist, dass wir als Familie gelebt haben, dass wir die Zeit auch genossen und viel gemacht haben.“

Als Mensch und Beraterin erfüllt es mich mit größter Hochachtung, wie das Paar diesen Weg gemeinsam gegangen ist. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit für das mir entgegengebrachte Vertrauen und ihre Offenheit. Der Tod ist für mich kein Tabuthema, das Ende des Lebens ist ein Teil des Lebens. Die in Phasen verlaufende Traurigkeit und emotionale Erschütterung ist unausweichlich und darf sein. Nur wenn sie durchlebt wird, entsteht Veränderung, und das Erlebte kann ins eigene Leben integriert werden. Meine Aufgabe als Beraterin besteht darin, Menschen den Raum für diesen Prozess zu öffnen und die Sicherheit zu bieten, die notwendig ist, um verstörende und emotional extrem belastende Situationen auszuhalten.
 
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