Susann Bontrup ist Erziehungswissenschaftlerin M.A. mit einer zweijährigen Zusatzausbildung zur Schwangerschaftskonfliktberaterin. Sie arbeitet seit 2019 bei donum vitae in Stade und bietet zusätzlich zur Schwangerschafts(konflikt)beratung eine Sternenkindersprechstunde an. Die „Orange Days“ nutzen die Kolleginnen der donum vitae-Beratungsstelle, um auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“ bei den Einwohner*innen von Stade aufmerksam zu machen.
Am 25. November starten wieder die „Orange Days“. Wer organisiert in Stade die Aktivitäten?
Susann Bontrup: „Wir sind seit dem Start unserer Beratungsstelle im Jahr 2019 auch im Netzwerk Häusliche Gewalt aktiv. Zum Netzwerk gehören neben den Schwangerschaftsberatungsstellen verschiedene Einrichtungen, die Hilfen für gewaltbetroffene Menschen anbieten, die Gleichstellungsbeauftragten, die Polizei und weitere Akteure aus der Stadt und dem Landkreis.“
Welche Aktivitäten sind rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in Stade geplant?
Susann Bontrup: „Jedes Jahr finden im Rahmen der „Orange Days“ hier in Stade verschiedene Aktionen statt. So wird zum Beispiel das Rathaus in dieser Zeit orange angestrahlt. Zusätzlich organisieren die Gleichstellungsbeauftragten seit einigen Jahren für das Netzwerk eine gemeinsame Aktion in Kooperation mit den Bäckereien im Landkreis Stade. Die Bäckereien nutzen rund um den 25. November spezielle Brötchentüten mit dem Aufdruck „Gewalt?! … kommt nicht in die Tüte!“. Auf den Tüten stehen auch die Kontaktdaten zu den Hilfsangeboten vor Ort. Diese gemeinsame Aktion läuft immer sehr erfolgreich und bringt das Thema „Gewalt“ mitten in die Bevölkerung und mit der Brötchentüte auch direkt nach Hause.“
In welcher Form beteiligt Ihr Euch mit der Beratungsstelle?
Susann Bontrup: „Auch in der Schwangerschafts(konflikt)beratung kommen wir mit dem Thema „Gewalt“ in Berührung. Gewalt findet in ganz unterschiedlicher Form statt. In unseren Beratungsgesprächen kann es Situationen geben, in denen die Klientin Gewalt – in der Beziehung, bei einer Trennung, in physischer oder psychischer Form – thematisiert. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir uns mit einer eigenen kleinen Aktion innerhalb der Netzwerk-Aktivitäten beteiligen. Wir konnten einen Bäcker gewinnen, der extra für unsere Beratungsstelle 50 dieser speziellen Brötchentüten kostenfrei mit seinen eigenen Brötchen füllt, die wir direkt bei uns vor der Beratungsstelle an Passantinnen und Passanten verteilen. In die Tüte legen wir zusätzlich noch verschiedenes Infomaterial zu den Unterstützungsangeboten. Unsere Beratungsstelle liegt hier in Stade in einer Fußgängerzone, die Beratungsräume befinden sich im Erdgeschoss. Am 25. November bauen wir vor dem Haus einen Infostand auf und verteilen unsere Brötchentüten an alle Interessierten. Zusätzlich gestalten wir passend zu den „Orange Days“ unsere Schaufenster mit Infomaterial zum Thema „Gewalt gegen Frauen“.“
Wie präsent ist das Thema „Gewalt“ in der Schwangerschaftsberatung?
Susann Bontrup: „Das Thema kann auf ganz unterschiedliche Weise bei uns in der Beratung zur Sprache kommen. Manche Frauen benennen die Gewalt auch nicht konkret, sie erwähnen vielleicht im Gespräch einen Ex-Freund, der sie stalkt und sie einfach nicht in Ruhe lässt. Frauen kommen zu uns zum Beispiel für eine Trauerberatung nach einer Fehlgeburt – und plötzlich tauchen da noch ganz andere Themen und Erlebnisse auf. Gewalt ist ja oft gar nicht sichtbar. Da müssen wir Beraterinnen sehr aufmerksam zuhören, auch mal nachfragen, um dann konkrete Hilfe anzubieten und auch gleich an die Einrichtungen für gewaltbetroffene Frauen hier vor Ort zu vermitteln. Auch dafür nehmen wir uns in der Beratung Zeit und sind offen für viele verschiedene Anliegen und Bedarfe unserer Klientinnen. Dafür muss auch unsere Netzwerkarbeit gut funktionieren, damit wir über alle Angebote und die aktuellen Entwicklungen Bescheid wissen und auch gleich an die Kolleg*innen im Netzwerk verweisen können. Vielleicht braucht die Frau auch noch Zeit, um ihre Situation zu klären – im besten Fall nutzt sie zu einem späteren Zeitpunkt unsere Informationen, oder sie kommt auch nochmals zu uns in die Beratung.“
Wie reagieren die Menschen in der Fußgängerzone, denen Ihr die Brötchentüten anbietet?
Susann Bontrup: „Die meisten reagieren sehr positiv auf unsere Aktion, mit einigen kommen wir auch direkt ins Gespräch. Manche nehmen einfach dankend die Brötchentüte mit und gehen weiter. Insgesamt kennen viele Menschen in Stade die Aktivitäten des Netzwerks zu den „Orange Days“ und bestärken uns in unserer Arbeit. Doch auch wenn das Thema „Gewalt gegen Frauen“ hier in Stade schon sehr präsent ist, braucht diese besondere Aufmerksamkeit – auch in der Bildungsarbeit für junge Menschen.“
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