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Sabine Schlüter-Laupert ist Dipl. Pädagogin und Systemische Familientherapeutin (DGSF) und seit 2010 bei donum vitae in Lippstadt in der Schwangerschafts(konflikt)beratung tätig. Sie hat eine Zusatzqualifikation zur Kinderwunschberaterin (BKiD) und ist Mitglied im Team der bundesweiten Online-Beratungsstelle von donum vitae. Jonathan Dobutowitsch ist Sozialarbeiter (B.A.) mit einer Zusatzqualifikation zur Kinderwunschberatung. Seit 2016 arbeitet er in der Schwangerschafts(konflikt)beratung von donum vitae in Gotha und gehört ebenfalls zum Team der Online-Beratungsstelle.
Lena und ihr Mann Tom sind seit Monaten in einer Kinderwunschklinik in Behandlung. Nach dem erfolgreichen Einsetzen eines Embryos konnte in der 11. Schwangerschaftswoche kein Herzschlag mehr festgestellt werden. Beider Kinderwunsch wurde danach noch stärker. Ein erneuter Versuch, kurz bevor Lena sich an unsere Onlineberatung wandte, war nicht erfolgreich. Lena beschrieb in ihrer ersten E-Mail ihre ausweglose Gedankenschleife, unbedingt Kinder haben zu wollen, in der sie sich gefangen fühlte. Privat könne sie kaum darüber sprechen – aus Angst vor Rückfragen und auch davor, andere zu belasten.
Beratung kann hier hilfreich sein, um Veränderung auf unterschiedlichen Ebenen wahrnehmen und einordnen zu können. So bestand unsere erste Anregung darin, die Situation aus der Perspektive der Veränderung anzuschauen und bewusst die körperliche Ebene, die Paarebene und die Ebene der Trauergefühle einfließen zu lassen.
Lena schrieb uns darauf von ihren Gefühlen rund um die Fehlgeburt. Mit deren Intensität hatte sie nicht gerechnet. Neben der Trauer empfand sie auch Einsamkeit. Sie hatte das Gefühl, allein zu trauern. Ihr Mann sei besser damit klargekommen und habe schnell über einen weiteren Versuch gesprochen. Als dieser nicht klappte, hatte sie hat das Gefühl, versagt zu haben.
Wir regten daraufhin an, dass Lena mehr mit ihren Gefühlen in Kontakt kommt. Es sollte ihr dadurch möglicherweise besser gelingen, Vertrauen in sich aufzubauen, um auch schmerzhafte Gefühle wahrzunehmen. Dies kann wiederum ihr Verständnis dafür stärken, welche Themen in ihrem Leben durch den Kinderwunsch noch berührt werden und welche Erwartungen sie an sich selbst und auch an ihren Partner hat. Dies wirkt bereits entlastend.
Lena berichtete uns bald, dass sie inzwischen weniger weine und sich gleichzeitig intensiv mit ihren Gefühlen auseinandersetze. Ihr Versagensgefühl sei weniger präsent. Sie habe nach einem Gespräch mit Tom den Eindruck, dass er doch auch sehr traurig über die Fehlgeburt war, sich aber besser auf die Zukunft konzentrieren könne. Dies wünschte sie für sich auch.
Wir vermittelten ihr daraufhin eine Strategie, um ihre natürlichen Trauerreaktionen in Anteile verlustorientierter Trauer und weiterlebensorientierter Trauer einzuordnen. Beide Anteile werden in Trauerprozessen individuell ganz unterschiedlich gewichtet. Wir regten Lena an zu betrachten, welche Funktion beide Anteile für sie und für Tom haben, aber auch, welche Ressourcen beide aktivieren, um im Weiterleben gut für sich zu sorgen und um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Lena erklärte uns in ihrer nächsten E-Mail, dass sie mehr Wertschätzung für den Prozess ihres Mannes aufbringen kann und diesen weniger als Aufforderung empfindet, ihre eigene Trauer wegzuschieben. Beide beschlossen, noch einen dritten Versuch zu unternehmen. Lena bat uns, über eine Strategie zu sprechen, um damit gut umzugehen.
Wir nutzten in unserer Antwort eine Fragetechnik, um die Selbstwirksamkeit von Lena weiter anzuregen. In diesem Kontext fragten wir auch, wie ein Plan B aussehen könnte. Es ist schwer, im Kinderwunsch Plan B mitzudenken, da er mit der Möglichkeit des Scheiterns verknüpft ist. Mit der Einbeziehung bieten wir jedoch die Möglichkeit an, diese zweite Wahl aussprechbar werden zu lassen.
Aktuell befinden sich Lena und Tom in der Vorbereitung auf ihren dritten Versuch in der Kinderwunschklink. Lena will uns schreiben, sobald sie das Ergebnis hat.
Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
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